Warren Zevon – Stand In The Fire

Asylum Records 1980

Nun also noch einmal 100 Alben. Nicht die völlig unbekannten, sondern 100 der völlig zu Unrecht weniger bekannten. Nicht die erfolgreichen, aber manche von ihnen umso mehr einflussreich auf die weitere Entwicklung der Rock-Musik. Manche sind auch einfach für mich „Nothing less than brilliant“, wie der gleichnamige Song von Sandie Shaw es ausdrückt. Manche Künstler wie Elvis Costello oder Neil Young sind durchaus bekannt, die von mir vorgestellten Alben zählen aber (zu Unrecht) nicht zu ihren erstgereihten. Die Reihenfolge ist wieder umgekehrt alphabetisch, weshalb wir heute mit Z beginnen.

Er war einer der ganz großen Verkannten im Rock-Geschäft. Warren Zevon kombinierte den sarkastischen Blick eines Randy Newman mit dem Harmoniegefühl seines Freundes Jackson Browne und der melodischen Wucht des frühen Bruce Springsteen, eines weiteren Freundes.  Kein anderer Songwriter brachte Werwölfe, durchgeknallte Smalltown-Killer, Afrika-Söldner oder sterbende Junkies in so einer lakonischen Brillanz auf die Bühne.

Mit „Werewolves of London“ auf seinem dritten Album „Exciteable Boy“ gelang ihm 1978 ein kleiner Hit. Fast 30 Jahre später trug das Piano-Riff aus diesem Song Kid Rock zum größten Erfolg seiner Karriere – „All Summer Long“.

Zevon hatte zwei Jahre nach „Werewolves“ seine Entziehungskur hinter sich und wagte sich – endlich trocken – auf Tour. Fünf Abende en suite spielte er im Roxy in Los Angeles, wo dieses Album mitgeschnitten wurde.  Die Eagles schickten ihm ihren Arzt, der ihn mit einem Medikamenten-Cocktail versorgte, und in der Tat singt und spielt Zevon wie auf Steroiden. In seinem großartigen „I´ll sleep when I´m dead“ ändert er die Zeile von „I´ve got a 38 Special up on the shelf, if I start acting stupid I´ll shoot myself” auf “I got a 44 Magnum in arm´s reach, but I don´t intend to use it on myself”. So gut ging es ihm in diesem Jahr.

Auf den beiden Studio-Alben zuvor gaben sich Leute wie Stevie Nicks, Mick Fleetwood, Waddy Wachtel oder Linda Ronstadt die Klinke in die Hand. Live vertraute Zevon auf eine eingespielte Rock-Band namens Boulder. Statt fein ziseliertem Kunst-Handwerk hört man auf „Stand in the Fire“ die volle Wucht des Rock´n´Roll. Sogar ein Bo Diddley-Medley findet sich auf der Setlist und „Lawers, Guns and Money“ zählt zu meinen absoluten Lieblings-Rockern. „The Shit has hit the Fan“, heißt es bezeichnenderweise am Ende des Songs. Es ist für Einige eines der großen Live-Alben der Rock-Geschichte. Rolling Stone-Journalist David Fricke vergleicht es in seinen Liner Notes mit „Live Rust“ von Neil Young oder „Rock´n´Roll Animal“ von Lou Reed.

Auf der 2007 erschienen CD-Version finden sich vier zusätzliche Tracks. Zuerst rockt Zevon mit der Band weiter, doch dann folgen die Zugaben. Sie zeigen Zevon im direkten Dialog mit seinem Publikum, die Stimme malträtiert vom ersten Teil des Konzerts. Er setzt sich allein ans Klavier und völlig heiser bringt er „Frank and Jesse James“, sodass man niederknien möchte. „Feel like going home?“, fragt er darauf das Publikum, um nach kurzer Pause zu ergänzen: „“Neither do I. I am home, I have no other place to go“.

Nach dem Song ersucht er den Beleuchter, das Saallicht noch einmal einzuschalten: „I´ve found out the ones who are my friends“. Und er bringt „Hasten down the wind“, einen der von Linda Ronstadt früh gecoverten Songs. Der Song beziehungsweise Ronstadts Cover rettete ihm nach eigener Aussage das Leben, denn „it was the song that came between me and starvation“, wie er dem Publikum erzählt. Die gute Linda hätte eigentlich nie wieder ein Studio besuchen können, hätte sie diese Version mitgehört. Zevon holt sich den Song so was von zurück, macht aus einem kleinen Hit ein Erlebnis. Meine Augen werden noch immer feucht, wenn ich diese Aufnahme mithören darf.

„It is great to be alive“, hört man ihn zum Abschied sagen. Leider ist ihm dieses Gefühl nicht mehr gegönnt – der Lungenkrebs war dagegen. Zevon starb 2003 im Alter von 56 Jahren.

Veröffentlicht von ancientofmummu

René Siegl, Jahrgang 1959, sammelt sein 50 Jahren Musik. Sein Spektrum reicht von Soul bis Country, von Klassik bis Punk. Sein Lieblingsalbum ist und bleibt für immer "Velvet Underground + Nico". Er schreibt auch Bücher, in den Songs auftauchen - zuletzt den Wiener Regionalkrimi "Stairway to Häfen". https://www.amazon.de/Stairway-H%C3%A4fen-witzigsten-Polizisten-ermittelt-ebook/dp/B0D1Y56HG8/ref=rvi_d_sccl_1/262-9716039-2362835?pd_rd_w=n13OY&content-id=amzn1.sym.13dbab83-f61c-4000-b9ab-184f02ce8fa2&pf_rd_p=13dbab83-f61c-4000-b9ab-184f02ce8fa2&pf_rd_r=KP5XNHACGJ9A8V3TSBC6&pd_rd_wg=qjqqz&pd_rd_r=c4f39755-1952-4b24-95cb-5a96ec7a97cd&pd_rd_i=B0D1Y56HG8&psc=1

2 Kommentare zu „Warren Zevon – Stand In The Fire

  1. Besonders schön „Mohammed’s Radio“, aus dem die ganze Nacht Rock’n’Roll klingt. Ausserdem „Hasten Down The Wind“, Zevons Titel den Linda Ronstadt mit ihrem gleichnamigen Album zum Hit machte.

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